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Behavioral Finance: Der Anchoring Bias

  • Michael Bichlmeier
  • 6. Juli
  • 2 Min. Lesezeit

Warum der erste Eindruck unsere Entscheidungen prägt


Im Bereich der Geldanlage und Finanzentscheidungen spielt Psychologie eine viel größere Rolle, als viele glauben. Eine der mächtigsten mentalen Verzerrungen ist der sogenannte Anchoring Bias. Er beeinflusst, wie wir Informationen bewerten – oft, ohne dass wir es merken.

In diesem Beitrag erfährst du, was Anchoring ist, wie er entsteht und warum er beim Investieren gefährlich sein kann.


Was ist der Anchoring Bias?

Anchoring bedeutet übersetzt „Verankern“. Der Effekt beschreibt, dass wir uns bei Entscheidungen zu stark an einem Ausgangspunkt orientieren – einem Ankerwert – auch wenn dieser objektiv betrachtet keine Relevanz hat.

Ein Anker kann sein:

  • ein zufällig genannter Preis,

  • ein früherer Kurswert,

  • eine erste Schätzung oder Erwartung,

  • oder eine Zahl, die wir beim Einstieg in ein Thema wahrnehmen.

Das Problem: Ein einmal gesetzter Anker beeinflusst unser Urteil dauerhaft. Selbst wenn wir wissen, dass er willkürlich ist, können wir uns nur schwer davon lösen.


Beispiele aus dem Alltag und der Börse


Beispiel 1: Preisverhandlungen

Ein Verkäufer nennt als erstes einen hohen Preis. Obwohl der Käufer weiß, dass der Preis verhandelbar ist, orientiert er sich unbewusst daran und wird nur moderat heruntergehen.


Beispiel 2: Aktienkurs

Eine Aktie stand früher bei 100 €. Heute liegt sie bei 60 €. Viele Anleger denken dann:

„Die war mal bei 100 €, also ist sie jetzt ein Schnäppchen.“

Doch der alte Kurs sagt nichts darüber aus, was das Unternehmen heute wert ist. Trotzdem dient er als psychologischer Anker.


Beispiel 3: Kursziele von Analysten

Analysten geben oft Kursziele aus („Kursziel 120 €“). Diese Zahl bleibt hängen und beeinflusst, wie Anleger den aktuellen Preis bewerten – auch wenn sie die Berechnungsgrundlage gar nicht kennen.


Warum tritt Anchoring auf?

Der Anchoring Bias ist eine Art mentale Abkürzung. Unser Gehirn liebt Orientierungspunkte, weil sie helfen, Unsicherheit zu reduzieren. Vor allem bei komplexen Entscheidungen, wie Investitionen oder Preisbewertungen, suchen wir nach einem Referenzwert.

Anstatt nüchtern alle verfügbaren Informationen zu prüfen, nehmen wir den ersten Anker als Ausgangspunkt und passen unsere Einschätzung nur unzureichend an.


Welche Risiken entstehen beim Investieren?

Der Anchoring Bias kann dazu führen, dass wir:

  1. Aktien zu lange halten, weil wir am alten Kaufpreis festhalten („Ich verkaufe nicht unter 80 €“).

  2. vermeintliche Schnäppchen kaufen, nur weil der Kurs früher höher war.

  3. Kursziele überbewerten, ohne sie zu hinterfragen.

  4. Verlustaversion verstärken („Ich warte, bis der Kurs wieder meinen Einstieg erreicht hat“).


Das Ergebnis:

Wir treffen Entscheidungen, die nicht auf rationaler Analyse, sondern auf psychologischen Fixpunkten beruhen.


Wie kann man den Anchoring Bias reduzieren?

Es ist schwer, sich völlig von Ankern zu lösen – aber du kannst Strategien entwickeln, um ihren Einfluss zu verringern:

  • Bewusstsein schaffen: 

Mach dir klar, dass frühere Preise keine Garantie für den fairen Wert heute sind.

  • Fundamentale Analyse vorziehen: 

Beziehe deine Entscheidungen auf Zahlen, Kennzahlen und Zukunftsaussichten, nicht auf Vergangenheitswerte.

  • Vergleichswerte prüfen: 

Hinterfrage, ob ein Anker wirklich relevant ist.

  • Regeln definieren: 

Lege klare Kriterien für Kauf und Verkauf fest, die unabhängig vom Einstandskurs sind.


Fazit

Der Anchoring Bias ist einer der am weitesten verbreiteten Denkfehler an der Börse. Er verleitet Anleger dazu, sich an willkürlichen Werten festzuhalten – und kann zu schlechten Entscheidungen führen.

Wer sich seiner eigenen psychologischen Verankerung bewusst wird und klare, faktenbasierte Strategien entwickelt, hat einen entscheidenden Vorteil:

mehr Rationalität und langfristig mehr Erfolg an der Börse.

 
 
 

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