Behavioral Finance: Verlustaversion
- Michael Bichlmeier
- vor 6 Tagen
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 3 Tagen
Warum Verluste doppelt so weh tun wie Gewinne Freude machen
Verlustaversion gehört zu den bekanntesten Konzepten aus der Behavioral Finance – und sie ist einer der Hauptgründe, warum Anleger häufig irrational handeln. Aber was genau steckt hinter diesem psychologischen Mechanismus, und wie können wir lernen, ihm nicht auf den Leim zu gehen?
Was ist Verlustaversion?
Der Begriff Verlustaversion wurde in den 1970er Jahren von den Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky geprägt. Er beschreibt die Tendenz, Verluste deutlich stärker zu empfinden als gleich große Gewinne. Ihre Forschung zeigte:
Ein Verlust schmerzt etwa doppelt so stark, wie ein gleich großer Gewinn Freude bereitet.
Mit anderen Worten: Wer 100 Euro verliert, empfindet diesen Verlust psychologisch intensiver, als er sich über einen Gewinn von 100 Euro freuen würde.
Wie äußert sich Verlustaversion beim Investieren?
Verlustaversion führt zu typischen Verhaltensmustern, die vielen Anlegern bekannt vorkommen:
Verlustpositionen aussitzen: Anleger halten verlustreiche Investments zu lange in der Hoffnung, „irgendwann wieder auf Einstand zu kommen“.
Gewinne zu früh sichern: Um die Freude über Gewinne nicht wieder zu verlieren, verkaufen viele Anleger profitable Positionen viel zu früh.
Übervorsicht: Aus Angst vor Verlusten werden potenziell lohnende Investitionen gar nicht erst eingegangen.
Emotionales Konto: Anleger neigen dazu, Verluste als persönlichen Misserfolg zu interpretieren, was zusätzlichen psychischen Druck erzeugt.
Beispiele aus der Praxis
Die Aktie, die „zurückkommen muss“ Viele Investoren weigern sich, einen Verlust zu realisieren, auch wenn sich die fundamentalen Aussichten drastisch verschlechtert haben. So bleiben sie in schwachen Titeln investiert und binden Kapital, das anderswo produktiver arbeiten könnte.
Frühzeitige Gewinnmitnahme Ein Investment hat 15% Rendite erwirtschaftet. Statt die Position weiterlaufen zu lassen, wird sie verkauft – aus Angst, dass der Gewinn wieder „verloren“ geht. Oft steigen erfolgreiche Investments jedoch noch deutlich weiter.
Warum handeln wir so?
Verlustaversion ist tief in der menschlichen Psyche verankert. Evolutionspsychologisch war es überlebenswichtig, Verluste von Ressourcen oder Gefahren möglichst zu vermeiden. Dieses Denkmuster lässt sich in einer modernen Börsenwelt jedoch nicht immer sinnvoll anwenden.
Kahneman und Tversky nannten diesen Mechanismus „Prospect Theory“: Menschen bewerten Chancen und Risiken nicht objektiv, sondern gewichten Verluste viel schwerer.
Wie kann man Verlustaversion überwinden?
Klares Regelwerk definieren Legen Sie vorab fest, wann Sie eine Position verkaufen – z. B. mit Stop-Loss-Orders oder Rebalancing-Regeln.
Rationalisierung durch feste Kriterien Orientieren Sie sich an fundamentalen Daten, nicht an dem Wunsch, Verluste auszusitzen.
Diversifizieren Ein breit gestreutes Portfolio hilft, den Schmerz einzelner Verluste zu relativieren.
Reflexion und Journaling Dokumentieren Sie jede Investmententscheidung. Mit der Zeit erkennen Sie Muster und können gegensteuern.
Professionelle Unterstützung Ein Portfoliomanager kann helfen, emotionale Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Durch objektive Marktanalysen und klare Anlagestrategien unterstützt er dabei, rationale Entscheidungen zu treffen und Verluste sachlich einzuordnen, anstatt impulsiv zu reagieren.
Fazit
Verlustaversion ist kein individuelles Versagen – sie ist ein universeller, zutiefst menschlicher Reflex. Wer sich ihrer Wirkung bewusst ist und strukturiert gegensteuert, kann sie jedoch entschärfen und langfristig bessere Anlageentscheidungen treffen.
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